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Unser Newsletter vom Juli 2025

Liebe Freund*innen,

Resilienz aufbauen ist ein zentraler Aspekt unserer Arbeit mit den Frauen in Krisen- und Kriegsgebieten. Hier auch ist es mehr denn je wichtig, dass wir auf uns achten. „Selbstfürsorge ist nicht nur eine persönliche Praxis, sondern eine revolutionäre Tat, die uns stärkt, um für die Welt einzustehen“, sagte eins die amerikanische Feministin und Aktivistin Audre Lorde.
 
Mit unseren Success Stories aus der Ukraine möchten wir euch daher Stärkendes für den Sommer mitgeben. Solche Geschichten sind die Bestätigung, dass unsere Arbeit und eure Unterstützung selbst in Kriegsgebieten ein Vorankommen ermöglichen. 30 Jahre nach Srebrenica wollen wir außerdem die Arbeit der überlebenden Frauen ehren, die als wahre Friedensakteurinnen ein feministisches Erinnern in einer von männlichen Erzählungen geprägten Welt hochhalten.

Das erste halbe Jahr endete für uns mit der Mitgliederversammlung, einem regen Austausch und der einstimmigen Wiederwahl des Vorstands – schöne geteilte Momente. Gleichzeitig beobachten wir mit Sorge den schwindenden Willen unserer Regierung, ihren Pflichten in Sache Entwicklungszusammenarbeit nachzugehen. Hier wollen wir stets wachsam bleiben.

Bevor ihr in die sommerliche Pause entflieht, schaut euch noch den ersten Überblick unseres Event-Programms für die zweite Jahreshälfte an. Es wird spannend! 

Euch allen wünschen wir einen belebenden Sommer und freuen uns mit euch auf einen energiegeladenen Herbst.
Solidarische Grüße
Euer AMICA-Team
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UKRAINE – Wie Frauen in der Ukraine nach vorne schauen

„Wenn wir zurückkehren, werde ich alles selbst nähen“

In einem hellen Raum in der Westukraine surren die Nähmaschinen – ein Geräusch von Mut hier in Iwano-Frankiwsk. Frauen lehnen sich über Stoffkanten, konzentriert, ruhig, entschlossen. Schnittmuster, halbfertige Röcke und Taschen liegen auf den Tischen. Was nach Handwerk aussieht, ist in Wahrheit weit mehr: ein Schritt zurück ins Leben. Mit einem Stück Stoff und einem Faden, der Halt gibt im Krieg, nach Flucht und Verlust.

„Ich habe eine große Familie – Arbeit gibt es immer“, sagt Nelia mit einem leisen Lächeln. Die 65-Jährige floh aus Charkiw, lebt heute in einem Wohnheim. Dort wird alles genommen, was repariert, angepasst, umgenäht werden kann. „Sogar Kleidung, die jahrelang unbeachtet herumlag, ist jetzt wieder nützlich geworden.“ Der Krieg hat ihre Realität komplett verändert. Doch in den Kursen der Mariupoler Frauenvereinigung Berehynia, die AMICA e.V. unterstützt, fand sie etwas, das sie lange nicht mehr gespürt hatte: Sicherheit, Struktur, Zukunft.

Was mit einfachen Einkaufstaschen begann, wurde Schritt für Schritt komplexer. Sommerkleider, Westen, Reißverschlüsse. Und immer wieder das Gefühl: Ich kann das. Ich bin nicht allein.

Auch Tetyana aus Kostiantyniwka, Region Donezk, hatte bis dahin nie genäht. Zwei Nähmaschinen standen ungenutzt zu Hause. „Ich wollte herausfinden, ob das etwas für mich ist – und mich an die neuen Lebensbedingungen anpassen“, sagt sie. Heute weiß sie: „Wenn wir nach Hause zurückkehren, werde ich alles selbst nähen – Kleidung, Bettwäsche. Jetzt kann ich das. Es wird viel billiger sein, und es wird meins sein.“

Fotos: AMICA e.V.
Die Geschichten ähneln sich und sind doch einzigartig. Natalia, Friseurin aus Pokrowsk, brachte sich vieles selbst bei. Doch erst die Kurse gaben ihr das Vertrauen, professionell zu arbeiten. Heute hat sie eine Anstellung in einer Werkstatt. Warum sie sich anmeldete? „Ich wollte sicher sein.“

Für Svitlana war es der bewusste Aufbruch in ein neues Leben. Die ehemalige Unternehmerin aus Polohy floh mit ihrer Tochter und träumt nun von einer eigenen Schneiderei. „Warum genau das? Ich weiß es nicht. Wir spürten einfach, dass es richtig ist.“ Inzwischen hat sie erste Stammkund*innen und neue Ambitionen: „Ich will Kleidung entwerfen. Das Wichtigste ist, Veränderungen zu wollen – dann wird alles gut.“

Während bereits die dritte Kursgruppe am Start ist, melden sich täglich neue Interessierte. Frauen, die bereit sind, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. In einer Zeit, in der so vieles ungewiss ist. Die Nähkurse geben ihnen etwas, das unbezahlbar ist: Selbstvertrauen, Verbindung und eine Perspektive.





Starke Körper, starke Frauen: Body-Memory-Training mit Ukrainerinnen
Inmitten von Krieg und Dauerstress haben zehn ukrainische Projektpartnerinnen an einem besonderen Online-Training teilgenommen: dem Body-Memory-Workshop – eine Methode, die den Körper als Speicher von Erfahrungen begreift und über Bewegung gezielt zur Entlastung und Stabilisierung beiträgt.
In neun wöchentlichen Online-Sessions, begleitet von drei Trainerinnen aus Wien, Berlin und Freiburg, erhielten die Teilnehmerinnen Einblicke in die körperzentrierte Arbeit. Die Übungen – von kleinen Schulterbewegungen bis hin zum freien Tanzen – helfen dabei, Verspannungen zu lösen und wieder in Kontakt mit sich selbst zu kommen. In einer Übung etwa sollten sich die Frauen einen sicheren inneren Ort vorstellen und diesen mit Tanzbewegungen füllen. Eine Teilnehmerin beschrieb ihre Erfahrung: „Zuerst war mein Raum pastellfarben, doch mein Körper füllte ihn so sehr, dass er mir knallbunt vorkam.“ Andere berichteten von Körperwahrnehmungen wie Kribbeln, Dehnen, Brennen – spürbare Zeichen der Selbstverbindung. „Schon kleine Übungen am Morgen oder im Büro geben viel Kraft“, sagt Ida von Bischopinck, AMICA-Freiwillige, die ebenfalls teilnahm. Mit dem erfolgreich abgeschlossenen Training – inklusive Zertifikat – können die Teilnehmerinnen ihr Wissen nun als Multiplikatorinnen an andere Frauen und Kinder weitergeben.

„Das Projekt aufzusetzen war nicht einfach, doch es hat sich gelohnt: Viele Frauen können jetzt gut auf sich achten und ihre Grenzen wahrnehmen. Das zeigt, wie viel Resilienz sie inzwischen aufgebaut haben.“ 
Natalia Schaaf, AMICA-Referentin und Übersetzerin während des Workshops